Die Regionalbischöfin schickte ihren Gedanken die humorvolle Feststellung voraus: „Wer über die Zukunft spricht, läuft Gefahr sich zu irren.“ Prominente Beispiele dafür seien etwa Kaiser Wilhelm II., der 1904 dem Automobil die Zukunft abgesprochen habe oder der Geschäftsführer des Technologiekonzerns IBM, der 1942 gesagt haben soll: „Ich denke, dass es einen Weltmarkt von vielleicht fünf Computern gibt.“ Insofern sei auch das Nachdenken über die Entwicklung der Kirche „mit einer gewissen Leichtigkeit derer, die auch danebenliegen können“, zu betrachten.
Anlässlich des Reformationstages erinnerte Ruck-Schröder an die „großen Impulse der Reformation“, die in unserer vielfältigen Gesellschaft neue Bedeutung bekämen: Entscheidungsfreiheit, Toleranz und Kooperation seien heute wichtiger denn je, um Menschen für den Glauben zu begeistern. Angesichts sinkender Mitgliedszahlen der Kirchen und schwindender Religiosität der Menschen müsse die Kirche sich auf ihr „Urgeschäft“ besinnen, nämlich die Menschen in besonderen Momenten ihres Lebens zu begleiten, forderte Ruck-Schröder. Dazu bedürfe es auch unbürokratischer und individueller Formen, wie es viele kleine Projekte zeigten.
„Zu diesen zwei Kriterien: für Einverständnis und Option werben, Toleranz einüben und Kooperationen finden, kommt meiner Meinung nach eine dritte Idee hinzu, von der Martin Luther noch gar nichts wissen konnte und die ich hier als These formuliere – das ist die Ökumene“, sagte Ruck-Schröder. „Überall, wo im Namen des Christentums öffentlich agiert wird, hat eine konfessionalistische Argumentation bereits ihre Plausibilität verloren“, betonte sie. Bei der Telefonseelsorge oder in der Beratungspraxis von Diakonie und Caritas werde dies täglich deutlich.
Die Konfessionen müssten ihre Kräfte bündeln, um besonders bei jungen Leuten die Sehnsucht nach Gott zu wecken, so Ruck-Schröder. Vor diesem Hintergrund sieht die Regionalbischöfin eine große Chance im christlichen Religionsunterricht, der in Niedersachsen angedacht ist. Herausfordernd aber vielversprechend sei es, „das Modell von ökumenischen Gemeinden zu denken“, wie im Zukunftsprozess der Landeskirche vorgesehen.
Fest stehe, dass nicht nur viele Gläubige an der Trennung der Kirchen litten. Auch Menschen in unserer fortschreitend säkularen Gesellschaft interessierten sich nicht für konfessionelle Eigenarten, sondern „für Fragen nach Sinn, Leben und Tod“. Auf dem Weg in die Zukunft gehe es darum, eine christliche Haltung einzuüben, eine neue „ökumenische Weite“ in vielfältigen Orten der Kirche zu leben und sie nach außen hin sichtbar zu machen.
Dazu gebe es ermutigende Beispiele von neuen Formen kirchlicher Begleitung, zum Beispiel die Hamburger Agentur „St. Moments“, die Kasualien unbürokratisch und individuell gestalte.
Wie das unbürokratisch und individuell möglich ist, zeige das Beispiel der Hamburger Kasualagentur „St. Moment“. Auch Kooperationen mit anderen Teilen der Gesellschaft, wie in Hildesheim mit dem fairen Handel praktiziert, seien wichtig, um über den Tellerrand zu schauen.
Karina Scholz für den Sprengel Hildesheim-Göttingen