Persönliche Emotionen vs. dringender Handlungsbedarf

Nachricht Osterode, 13. September 2022

Visitationswoche hieß es im Kirchenkreis Harzer Land. Das bedeutet, dass Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder von Montag bis Freitag zwischen Kalefeld und Bad Sachsa, zwischen Hahnenklee und Duderstadt zu Gast war, Gemeinden und Einrichtungen vor Ort kennenlernt und vielleicht auch den einen oder anderen Denkanstoß von außen gab.

Im Klartext sind das viele Besuche, die sie meist gemeinsam mit Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng absolvierte, viele Menschen und ihre Arbeit, die sie kennenlernte, und durchaus auch harte kirchliche Themen, die dabei zur Sprache kamen. So ging es in jeweils unterschiedlich zusammengesetzten Gesprächskreisen unter anderem um die Gebäude im Kirchenkreis sowie um die Situation kleiner Gemeinden.

Beides sind Themen, die die Landeskirche auch an anderen Orten beschäftigen, die eben durch sinkende Mitgliederzahlen und hier insbesondere verstärkt durch den demografischen Wandel demnächst ein Handeln oder zumindest neue Weichenstellungen erfordern. Zu beiden Themen fanden sich Diskussionsrunden, die erst einmal das Problem offenlegten und verschiedene Ideen zur Zukunftsfähigkeit aussprachen.

54 Kirchengebäude gibt es im Harzer Land, 150 kirchliche Gebäude insgesamt. Die meisten davon sind alt, sprich in einem Zustand – oft sind es sanierungsbedürftige Heizungsanlagen – der immer wieder Maßnahmen erfordert, die natürlich Geld kosten. Die Mittel dafür werden in der Landeskirche nach Fläche und Gemeindegleiderzahl berechnet und demnach sind viele Gebäude größer als die Zuweisungen dafür. Es muss also irgendetwas passieren.

Seit einem halben Jahr gibt es den Gebäudemanagementausschuss im Kirchenkreis, der sich mit genau diesen Fragen befasst. Der Vorsitzende Uwe Rumberg-Schimmelpfeng berichtete, dass zunächst einmal die Gemeindehäuser in den Blick genommen werden und dass auch manche Pfarrdienstwohnungen „nicht mehr zumutbar“ sind. Dabei herrschte bei allen Anwesenden großes Verständnis dafür, dass jede einzelne Gemeinde an Liebgewonnenem festhält, der Handlungsbedarf lässt sich aber dennoch nicht leugnen.

Es geht nicht darum, dass Kirchen geschlossen werden sollen, allein der Denkmalschutz besagt ja, dass die historischen Gebäude erhalten bleiben müssen. Hierzu gab Dr. Ruck-Schröder zu bedenken, dass sich auch hier manches gerade ändere, so soll beispielsweise Photovoltaik auf Kirchendächern nicht mehr kategorisch ausgeschlossen sein. Weiterhin betonte sie: „Aber es muss uns doch um den kirchlichen Auftrag gehen und nicht um die Gebäude.“

In einem historischen und großen Gebäude, nämlich dem eindrucksvollen Pfarrhaus in Willershausen ging es am folgenden Tag um die Situation kleiner Gemeinden. Eingangs aber betonte Pastor Michael Falk, dass das Gebäude von der Pfarrhausstiftung Harz gekauft und saniert wurde, man hier also einen Weg gefunden hat, das Haus zu erhalten und die Gemeinde zu entlasten.

Genau um das Thema Entlastung ging es auch im folgenden Gespräch, nämlich um die Entlastung der Kirchenvorstände kleiner Gemeinden und der Pastoren, die oft fast nur noch von Ort zu Ort unterwegs sind, um allen gerecht zu werden. Manche Strukturen sind schlicht nicht ideal, so dass es auch hier mancherorts Handlungsbedarf gibt.

In einigen Regionen des Kirchenkreises werden schon jetzt Gesamtkirchengemeinden auf den Weg gebracht, anderswo ist die Angst groß, dass dadurch etwas verloren geht, was den Menschen wichtig ist. Viele Gemeindeglieder haben sozusagen Angst um die dörfliche Identität, wenn kleine Strukturen in größeren aufgehen. Auch dafür hatte jeder in der Runde Verständnis.

„Wir können nicht das sein, was gesamtgesellschaftlich nicht mehr vorhanden ist“, merkte die Regionalbischöfin dazu an und berichtete auch von Gesamtkirchengemeinden, in denen dieses gemeinsame Modell gut funktioniert und alle Spaß an der Zusammenarbeit haben. Ulrike Schimmelpfeng sieht das ganz ähnlich und betonte: „Das Heil hängt doch nicht an der Organisationsform.“ Dennoch bleibt es ein sensibles Thema, zu dem noch viele Stimmen gehört werden und viele Fragen besprochen werden müssen.

Sie habe eben nur Sorge, dass wir nicht schnell genug sind, gab die Superintendentin zu bedenken, der gesellschaftliche Wandel sei schon weiter fortgeschritten als viele es sich eingestehen wollen.

Kirchenkreis Harzer Land/ Christian Dolle