Landesbischof Meister warnt vor Populismus und falschen Heilsfiguren

Nachricht Hildesheim, 02. Oktober 2025

Zum Thema „Demokratie als Friedensordnung“ haben sich am Mittwoch mehr als 200 kirchlich Mitarbeitende beim Generalkonvent des Sprengels Hildesheim-Göttingen in der Hildesheimer Michaeliskirche getroffen. Landesbischof Ralf Meister hielt dabei eine politisch geprägte Predigt, in der er vor überhöhten Heilsfiguren warnte, die sich selbst inszenieren oder von anderen verklärt werden. „Das sind gefährliche Antworten von Erlösergestalten, die keine Antworten haben auf die großen Herausforderungen“, sagte Meister. „Das Reich Gottes beginnt nicht im Oval Office, auch nicht im Parlament, sondern im Herzen.“

Meister sprach in seiner Predigt von gesellschaftlicher Sehnsucht nach starker Führung. In der Folge wendeten sich in vielen Ländern Menschen Figuren zu, die sich wie Erlöser inszenierten – nicht nur in autoritären Systemen, sondern auch in westlichen Demokratien. „Erschreckend bleibt für mich, dass sogar in demokratischen Rechtsstaaten Mehrheiten autoritäre Herrscherfiguren an die Spitze wählen.“

Leitungsverantwortung müsse transparent gestaltet und im Dienst anderer ausgeübt werden. „Das Ziel ist nicht, Macht loszuwerden – es ist, sie sinnvoll zu nutzen.“ Für die Kirche formulierte er den Auftrag, Gewissen zu bilden und Verantwortung zu stärken. Sie solle kein Machtakteur sein, sondern einen „Gewissensraum“ eröffnen, in dem Orientierung entstehen könne. „Die Wahrheit des Evangeliums ist nicht durchsetzbar – sie ist bezeugbar. Sie zwingt nicht – sie lädt ein. Sie herrscht nicht – sie heilt.“

Der Geschäftsführer des Antikriegshauses Sievershausen, Elvin Hülser, stellte in seinem Vortrag „Demokratie als Friedensordnung?! Unsere Verantwortung für die Demokratie“ die Zuhörenden auch selbst auf die Probe: Mit einem digitalen Abstimmungstool konnten sie ihre Haltung zu Demokratie und Politik sichtbar machen. Fast allen war es sehr wichtig, in einer Demokratie zu leben, und eine große Mehrheit zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit der Demokratie in Deutschland. Deutlich skeptischer äußerten sich die Teilnehmenden jedoch zur aktuellen Politik – mehr als die Hälfte bewertete sie eher negativ. Auffällig war ein Widerspruch: Während viele die gesellschaftliche Zukunft pessimistisch sahen, blickten sie zugleich zuversichtlich auf die Perspektiven ihrer eigenen Familien.

Hülser mahnte, vermeintliche Selbstverständlichkeiten wie Frieden oder Demokratie nicht als gegeben hinzunehmen. „Vielleicht sind wir da über die Jahre zu bequem geworden“, sagte er. Notwendig sei es, diese Themen immer wieder ins Gespräch zu bringen und neue Perspektiven zuzulassen. Demokratie brauche die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – und sie lebe vom aktiven Beitrag der Menschen. „Wir können etwas entwickeln, aus unserem Glauben, aus der Kirche heraus – der Demokratie wird das guttun.“

In diesem Jahr war der Generalkonvent selbst ein lebendiges Beispiel für Beteiligung und gemeinsames Tragen von Verantwortung. Erstmals wurde die Versammlung multiprofessionell ausgerichtet: Neben Pastor*innen nahmen auch Diakon*innen, Kirchenmusiker*innen und Ephoralsekretärinnen – nicht nur als Gäste – teil. Durch das Programm führten die vakanzvertretende Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng (Kirchenkreis Harzer Land) und Superintendent Jan von Lingen (Kirchenkreis Leine-Solling); vorbereitet hatte es ein engagiertes Team von stellvertretenden Superintendent*innen, Diakon*innen sowie des regionalbischöflichen Büros um Pastor Dr. Yorick Schulz-Wackerbarth.

Die besondere Gestaltung des Gottesdienstes und der Sitzordnung unterstrich den Gedanken von Gemeinschaft und Teilhabe: Inmitten des Kirchenschiffs standen die Stuhlreihen einander oval gegenüber, in der Mitte der Tischaltar. Lesungen kamen von beiden Seiten, selbst der Landesbischof wechselte während seiner Predigt mehrfach den Ort – mal in der Mitte, mal an einem der Lesepulte. Das Abendmahl wurde in inklusiver Form gefeiert, mit Traubensaft in glutenfreien Oblaten, die von den Teilnehmenden weitergereicht wurden. So konnte niemand ausgeschlossen bleiben – ein Sinnbild für Kirche, die alle einbezieht.

Auch in den Gesprächen und Beiträgen zeigte sich diese Vielfalt: Neben dem Landesbischof sprachen unter anderem Oberlandeskirchenrätin Dr. Nicola Wendebourg über die Zukunft des Pfarrberufs, Diakonin Inga Rohoff über das Diakon*innengesetz und Pastor i.R. Gerhard Wegener als Vertreter des Pastor*innenausschusses. Damit wurde deutlich: Die Kirche lebt von der Stimme vieler Berufsgruppen – und von dem Mut, gemeinsam neue Wege zu beschreiten.

Ein Generalkonvent ist ein jährliches Treffen der Pastor*innen, Diakoninnen, Kirchenmusiker*innen und Ephoralsekretärinnen des Sprengels. Seit dem Weggang von Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder wird der Sprengel vorerst von Superintendent Jan von Lingen (Leine-Solling) und Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng (Harzer Land) geleitet. Regionalbischof i.R. Dr. Hans Christian Brandy ist zudem Vertreter für regionalbischöfliche Aufgaben. Der Sprengel Hildesheim-Göttingen umfasst rund 350 Kirchengemeinden in acht Kirchenkreisen von Peine bis Hann. Münden, von Hameln bis in den Harz, mit rund 400.000 Kirchenmitgliedern und 700 Kirchen und Kapellen.

Kollekte auf dem Generalkonvent

Im Rahmen des Generalkonvents kam eine Kollekte in Höhe von 355 Euro für das Antikriegshaus Sievershausen zusammen.