Rücktritt von Anette Kurschus: Regionalbischöfin warnt vor vorschnellen Urteilen

Nachricht Hildesheim, 26. November 2023

Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder hat in ihrer Predigt zum Buß- und Bettag den Rücktritt der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus bedauert und ihrer Irritation darüber Ausdruck verliehen, wie schnell die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Deutschland der Ratsvorsitzenden das Vertrauen entzogen habe. Die Staatsanwaltlichen Ermittlungen in der Sache seien in keiner Weise abgeschlossen seien. „Mir geht diese öffentliche Demontage der Ratsvorsitzenden, die dieses Thema zur Chefinnensache erklärt hat, zu schnell“, sagte sie am Mittwochabend in der St.-Michaelis-Kirche in Hildesheim. 

Kirchen und Gesellschaft bräuchten dringend Aufarbeitung und konsequente Schritte im Blick auf sexualisierte Gewalt und übergriffiges Verhalten. „Betroffene leiden ihr Leben lang. Aber es ist ein Trugschluss zu meinen, dieser Rücktritt löse Probleme der Aufarbeitung.“ Die gesamte Gesellschaft sei vom Übel sexualisierter Gewalt betroffen. „Auch unter uns sitzen heute statistisch gesehen Betroffene“, sagte die Regionalbischöfin zu den rund 150 Gottesdienstbesucher*innen. Sexualisierte Gewalt zu übertünchen sei ein Skandal. „Und deshalb ist richtig, den Rücktritt von verantwortlichen Amtsinhabern zur richtigen Zeit zu einfordern. Am Montag hat es aus meiner Sicht aber die Falsche getroffen.“

„Betroffene leiden ihr Leben lang. Aber es ist ein Trugschluss zu meinen, dieser Rücktritt löse Probleme der Aufarbeitung.“

Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder

Annette Kurschus war am Montag von ihren kirchlichen Leitungsämtern als EKD-Ratsvorsitzende und Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen zurückgetreten. Dabei ging es um den Vorwurf sexualisierter Gewalt in den 90er-Jahren durch einen kirchlichen Mitarbeiter in Siegen, den sie gut gekannt hat. Der Schritt von Annette Kurschus am Montag sei höchst respektabel, sagte Adelheid Ruck-Schröder. „Zu jeder Zeit müssen wir aber aufpassen, nicht vorschnell Schlüsse zu ziehen und Menschen zu beschädigen um der eigenen vermeintlich moralisch weißen Weste willen.“

Buße, sagte die evangelische Theologin in ihrer Predigt weiter, sei eine kulturelle Errungenschaft ersten Ranges, ein Prozess der Selbsterkenntnis und zugleich ein Schutz vor Überreaktion. „Buße ist die Fähigkeit zu hinterfragen, sich in andere Sichtweisen hineinversetzen, nicht vorschnell andere abzukanzeln, Verdrängung zu verhindern und Veränderung zu ermöglichen.“

Kirchenmusikdirektorin Angelika Rau-Čulo und der katholischer Basilikachor St. Godehard unter Leitung von Tobias Meyer gestalteten den Evensong musikalisch.

Sprengel Hildesheim-Göttingen/gmu